***mittendrin und zwischendurch***
Samstag, 2. August 2008
Datenträger...
Am 02. August 2008
und nicht Bürger "dieses unseres Landes" (H. "Birne" Kohl) sollen wir alle fürderhin sein. Nun ja, schon in der Antike führten Sklavenhalter Buch über ihre "Human Ressources", das arbeitende Kapital. Nachdem nun noch nicht ganz entschieden ist, ob die von Peerfides Steinbrück gewünschte einheitliche Steuernummer gleich auf den rechten Oberschenkel tätowiert wird oder nicht, machen sich die nächsten unserer politischen Missionarren daran, sich weitere Gedanken um ihre unsere Sicherheit zu machen. Wenn wir dann erst nur das von Herrn SSchäuble für dringend erfoderlich erachtete bundeseinheitliche Melderegister haben, wird es fürderhin ein Leichtes sein, mit den Daten der Gesundheitskarte einen passenden Nierenspender Blutgruppe aPositiv, körperlich fit, ohne Anhang, zu finden. An die Niere kommen wir dann schon irgendwie dran, es passiert ja so viel.

Von der Abschöpfung überflüssigen Privatvermögens in Prekarierhand bis hin zur soziogenetisch perfekten Kontaktbörse - alles ist möglich!

Gestern bekam ich den blauen Brief. Ich solle mich umgehend bei der Verwaltungsstelle für Datenträger melden. Die ist irgendwo im Dienstgebäude der Gemeinde, gleich neben der Einwohnermeldestelle, von der aus der Übergang zur Polizei zu erreichen ist. Scheinbar wurde ich schon erwartet, denn der Datenträgerverwalter hatte gleich eine Kladde zu Hand, auf der ich meinen Namen fand.

„Guten Morgen“ lächelte er mich freundlich an. Freundlich, jedenfalls soweit eine Bürokratenseele menschliche Regungen zeigen kann. „Schön dass Sie so rasch kommen. Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass Sie ab heute als Datenträger geführt werden!“

„Datenträger? Was bedeutet das?“

„Nun, Sie bekommen diesen kleinen Transponder, einen kleinen Sender, unter die Haut injiziert!“ Er deutete auf eine Injektionsspritze mit einer klaren Flüssigkeit, in der eine Art goldfarbige Nadel schwamm. „Es tut nicht weh und Sie sind beileibe nicht der Erste, den wir damit ausstatten!“
„Und wozu soll das gut sein?“
„Das ist eine präventive Maßnahme zum allgemeinen Schutz!“
„Was heißt hier allgemeiner Schutz? Soll ich geschützt werden? Wovor? Danke, das kann ich schon selbst!“
„So dürfen Sie das nicht sehen. Die Maßnahme dient dem Schutz der Gemeinschaft. Sie wissen schon, Anti-Terror–Gesetze, Maßnahmen zum Schutze der Gesellschaft vor organisierter Kriminalität und so weiter.“
„Ich habe mir bis zum heutigen Tagen nichts zuschulde kommen lassen, ich bin ein unbescholtener Bürger!“
Der Bürokrat zog die rechte Augenbraue leicht in die Höhe. Sein Minenspiel schwankte zwischen süffisanter Ironie und einer Art Ekel, die er wohl vor meinesgleichen hatte.
„Sie leben!“ sagte er. „Das wollen Sie doch wohl nicht bestreiten, oder?“
„Nein, natürlich nicht. Und ich lebe gerne! Aber deswegen habe ich mir trotzdem nichts zuschulden kommen lassen!“
„Die Tatsache dass Sie leben, schliesst automatisch die Möglichkeit ein, dass Sie sich möglicherweise in der Zukunft etwas zuschulden kommen lassen.“
„Wie bitte? Alleine die Tatsache meiner menschlichen Existenz verleitet Sie zu dem Schluss, dass ich womöglich irgend wann mal meine Einstellung zu Straftaten ändern könnte und deswegen wollen Sie mich überwachen?“
„Es ist ja nur eine Schutzmaßnahme. Und wenn Sie nichts zu verbergen haben, ist das doch kein Problem, oder?“
„Was heißt hier, ich habe nichts zu verbergen? Was ist mit meiner Privatsphäre?“
„Guter Mann“, er seufzte gelangweilt auf, „was glauben Sie, was mich Ihre Privatsphäre interessiert. Ich habe Daten zu erheben, sonst nichts.“
„Und wozu dienen die Daten? Und welche werden überhaupt erhoben?“
„Die erhobenen Daten dienen dem Zweck, zu dem sie erhoben werden. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, alles absolut sicher!“
„Also mit mir machen Sie das nicht!“ Ich stand auf und wollte zur Tür gehen.
„Einen Moment, mein Herr!“ Seine Stimme wurde schärfer. „Ich bin gehalten die Maßnahme durchzusetzen. Sie möchten doch sicher Ihr gewohntes Leben weiter führen? Oder sollen wir vielleicht ein Gespräch mit Ihrer Bank führen? Ich meine, wir haben da Mittel.....“
Ich drehte mich abrupt auf dem Absatz um und starrte ihn an.
„Was hat das mit meinem Banker zu tun?“
„Nun, sehen Sie, bei Ihrer Überprüfung haben wir festgestellt, dass Sie eigentlich nicht in allen Punkten dem Raster Ihrer Hausbank für die Gewährung von Krediten entsprechen, wenn Sie verstehen was ich meine.“
„Nein, ich verstehe nicht!“
„Na gut, dann muss ich Ihnen wohl ein wenig auf die Sprünge helfen. Als Jugendlicher haben Sie eine Weile die Peking-Rundschau abonniert. Außerdem haben wir Ihr Gesicht bei der Auswertung von alten Videobändern entdeckt, die in den sechziger Jahren bei den Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze aufgenommen wurden.“
„Na und, habe ich damals etwa eine Straftat begangen?“
„Nein, aber immerhin haben Sie gegen staatliche Gesetzesvorhaben demonstriert. Ich will nicht von Ihren vielen Parksünden reden. Da ist in den vergangenen dreißig Jahren ganz schön was zusammen gekommen!“
„Wundert Sie das? Wer in der Großstadt wohnt, hat nun mal Parkprobleme!“
„Sie waren in den siebziger Jahren zwei Mal zum Urlaub in Marokko. Wir können nicht ausschließen, dass Sie sich dort mit Radikal-Islamisten oder deren Helfern getroffen haben.“
„Ich war da mit meiner Freundin im Urlaub. Zum Baden am Strand!“
„Und, können Sie etwa ausschließen, dass der nette Kellner von damals heute vielleicht einer Terror–Zelle angehört?“
„Mein Gott, das ist dreißig Jahre her!“
„Eben – genau das ist der Punkt. Mit jedem Jahr in dem nichts passiert ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass künftig etwas passieren wird! Und dann - Sie lesen keine Bildzeitung, Ihr Fernseher läuft in der Regel nicht mal eine Stunde am Tag, Tiefkühlpizza haben Sie in den letzten drei Jahren ein einziges Mal gekauft, statt dessen sind Sie auf dem Öko-Trip. Biologisch dynamisch und so. Sehr suspekt. Das sieht nach aktiver Verweigerung aus, Datenspuren zu hinterlassen. Sie bevorzugen als Literatur politische Satire und statt zum Volksliederabend gehen Sie lieber zum politischen Kabarett. Auch Ihr Surf-Verhalten im Internet ist auffällig. Sie haben – soweit wir das überblicken – nicht ein einziges Mal eine Erotikseite aufgerufen oder wenigstens in die Suchmaschine mal Worte wie „Titten“ oder „Ficken“ eingetippt. Das alles zusammen genommen macht Sie mehr als verdächtig!“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nun sehen Sie das alles mal nicht so negativ!“ sagte er beschwichtigend. „Es gibt auch positive Seiten.“
„Die da wären?“
„Sie werden nie wieder Probleme mit Ihren Pins und Tans und Geheimnummern haben, sind alle auf dem Transponder gespeichert. Jeder Bankautomat kann die auslesen und auch Ihr Steuerbeamter ist immer gleich auf dem Laufenden. Er wird Sie sicher gerne warnen wenn Sie Steuerspar-Tricks versuchen wollen. Durch die Erfassung Ihres Konsumverhaltens werden Sie keine Werbung mehr bekommen, die Sie nicht interessiert. Dafür bekommen Sie eine Menge anderer Informationen die Ihnen bisher entgangen sind, weil Ihr Datenträger-Profil nicht im Zentralrechner gespeichert war. Auch die Gesundheitsvorsorge wird besser: Ihre Krankenkasse wird Sie jetzt zu Hause anrufen lassen oder Ihnen eine SMS schicken, wenn Sie gerade dabei sind, zu viel Alkohol zu trinken oder wenn Sie ihre sportliche Aktivitäten vernachlässigen. Und mit ein bisschen Glück gelingt es uns, Ihren Hausarzt rechtzeitig bei seiner Skatrunde zu erreichen, wenn sich bei Ihnen der Infarkt ankündigt und die ersten Vorbereitungen zur Organentnahme getroffen werden können. Alles in allem eine runde Sache, glauben Sie nicht? Und wie gesagt, wenn Sie ohnehin nichts zu verbergen haben, warum regen Sie sich dann auf? Je mehr Sie protestieren, desto verdächtiger machen Sie sich nur.“
„Mit mir nicht! Ich bin ein freier, mündiger Bürger, jedenfalls bis heute. Und ich gedenke es zu bleiben!“
„Ach, schon wieder so ein Demokratie-Romantiker aus den fünfziger Jahren! Na ja, wir können auch anders!“
Während ich versuchte die Türe zum Büro zu erreichen, sah ich aus den Augenwinkeln, wie er mit der rechten Hand die Injektionsspritze ergriff und sie mit einer geschickten Bewegung in meine Richtung schleuderte. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Hintern.

Zu meiner Überraschung wurde ich wach. Der Schmerz im Hintern war real. Ich hatte gestern einen Knopf am Hemd angenäht, mich dazu auf das Bett gesetzt. Dabei musste ich eine Stecknadel verloren haben die sich jetzt für meine Unaufmerksamkeit ihr gegenüber rächte.
Aber wenn ich`s recht bedenke – so wie die Dinge stehen, geht hier einiges im wahrsten Sinne des Wortes in den Arsch, wenn wir nicht mächtig aufpassen!

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