***mittendrin und zwischendurch***
Stiften gehen...
Am 01. April 2008
Der Weg ist mühsam. Er führt vorbei an aufgerissenen Kartons mit Teigwaren. Eine Tüte ist aufgeplatzt, der Inhalt über den Boden verstreut. Knirschend zerbersten die Fusili unter meinen Füssen. Ich hasse es, auf Lebensmittel zu treten aber ich muss hier durch. Ich habe keine Wahl. Es sei denn, ich würde den Umweg über eine Palette mit Wasserkisten nehmen. Strategisch platziert, damit der unerwünschte Eindringling Kunde durch den ganzen Gang zurück muss. Um dann einen neuen Versuch zu starten.
Dann führt der Weg am Kühlregal entlang. Die Höhe des Stapels mit Kisten voller Gefrierpommes steht in direkt proportionalem Verhältnis zum durchschnittlichen deutschen Übergewicht. Dazwischen zwei Damen, offensichtlich einem sozialen Brennpunkt entstammend. Laute Konversation über die Schlampe S., die gestern Nacht mit ihrem Kerl wieder das ganze Haus zusammen gestöhnt hat. Ich habe den Eindruck, dass da ein Hauch von Neid mitschwingt. Und der P. war auch nicht besser, der war schon wieder besoffen und hat seine Alte verkloppt. Aber die hat das ja auch nicht besser verdient.
Während die gesellschaftliche Konversation so dahin plätschert, wird dem Nachwuchs Dresche angedroht, wenn er nicht sofort damit aufhört, mit spitzem Finger kleine Löcher in die Aludeckel der, im Kühlregal vor sich hin frierenden, Yoghurts zu bohren.
Irgendwie schaffe ich es instinktiv, dem Überrolltwerden durch einen Wagen mit einer Palette voller Kisten mit Edelkorn zu entgehen. Ob in Alkohol eingelegt werden ein schöner Tod ist? Für einen Moment habe ich Bilder ägyptischer Mumien vor meinem inneren Auge. Aber ich muss voran. Zwei Sprünge und vier heftige Knuffe mit in meine Rippen gerammten Einkaufswagen weiter, habe ich endlich den hinteren Bereich des Ladens erreicht. Fleischtheke, daneben die Käsetheke. Durch eine Glastüre getrennt. Aber das ist kein Hindernis, kein Wirkliches, für die Kampfmaschine hinter der Fleischtheke, die bis zu den Ellenbogen in einem Kübel mit Gehacktem steckt, während ihre schlankere Kollegin hinter der Käsetheke sich damit abmüht, Frühlingszwiebeln in kleine Röllchen zu schneiden. Ungehindert durch die gläserne Türe werden die neuesten Informationen über die Mumps der Tochter, die eigene Erkältung und die bedenklichen Blutwerte der Schwiegermutter ausgetauscht.
Hier ist Einkaufen wirklich ein Erlebnis. Ich kann meinen Blick einfach nicht abwenden, von den durch künstliche Verlängerung zu hellblauen Klauen mutierten Fingernägel der Käsetante. Mir ist schleierhaft, wie man mit diesen Dingern irgend etwas anders machen kann, als sich in der Nase bohren oder – im besseren Fall – am verlängerten Rücken kratzen. Eine der Krallen ist mit einem ziemlich schmuddeligen Pflaster geschient und ich überlege, wie es wohl sein mag, hellblaues, klein Geschnittenes, in einer würzig - cremigen Zubereitung von Frischkäse zu entdecken.

Egal – ich habe mein Ziel erreicht: den Serviceschalter der Deutschen Post. Der deutschen Post, die das hiesige Postamt outgesourct hat - irgendwo hin zwischen Käsetheke, alten Kartonstapeln, abgelaufenen Lebensmittelpackungen zum Sonderpreis und Frischmilch. Der Briefkasten ist ein alter Schuhkarton, immerhin mit gelbem Geschenkpapier beklebt und einem handgeschnittenen Einwurfsschlitz. So ungefähr muss es schon zu Zeiten von Thurn und Taxis gewesen sein. Und wer wirklich etwas braucht, zum Beispiel eine Briefmarke, der kann Klingeln. Da gibt es eine richtige Haustürklingeltaste und die passende Klingel.
Während ich nach knapp fünf Minuten Wartens noch mal klingele geht das Getratsche zwischen Käsekralle und der Sumoringerin im Gehackten munter weiter. Süßlich lächeln sich die Beiden vielsagend an, während ich nach knapp zehn Minuten renitent werde und nun meinen Finger auf dem Klingelknopf lasse.
Und tatsächlich – nach weiteren knapp zwei Minuten Dauerklingelei legt die Käsetante ihr Zwiebelmesser beiseite, wischt sich geruhsam die Finger ab und begibt sich langsam und mit sorgfältig gesetzten Schritten hinter die Pappwand, die eher an ein Kasperletheater, denn an einen Postschalter erinnert. Hochnäsig schaut sie mich an, jetzt ganz amtlich, und spricht: Nun mal nicht so eilig, junger Mann!
Und jetzt habe ich auch verstanden warum Herr Zumwinkel in Luxemburg stiften gegangen ist. In Aktien einer Firma, die ihre Filialen in Schlampläden umwandelt, kann ja wirklich keiner investieren.

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manacur, 2008.04.01, 19:08
Wieder einmalige Schilderung!
Rosige Zukunft.
LG
Curt
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