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Tati`s Schützenfest...
Am 08. Juli 2007
Ich wollte ein Eis essen. In E. wo ein begnadeter Konditor sein Handwerk ausübt. Rechts und links gibt es Italiener mit Eis in Tiefkühltruhen und ein Stück weiter oben an der Fußgängerzone verkauft ein geschäftstüchtiger Lebensmittelhändler das mit Stickstoff aufgeplusterte Schaumzeugs der Firma Mövenschiet das ihm in den ach so praktischen Plastikkübeln angeliefert wird. Kübel von denen er einfach den Deckel runter reißt. Sie danach in seine Truhe stapelt und den Inhalt dann löffelchenweise an die Touristen verfüttert. Sein Matsch Eis ist das Teuerste. Liegt wohl am Stickstoffgehalt. Jedenfalls hat dieser Mist keine Ähnlichkeit mehr mit Eis sondern allenfalls mit Spachtelmasse zum Ausfüllen von Rissen im Putz. Aber nicht mal dazu taugt der Kram.
Der Konditor meiner Wahl hat seinen Laden genau in der Mitte der Fußgängerzone. Er kann nicht nur Eis sondern auch begnadete Torten, Kuchen und er beherrscht das Handwerk des Pralinenmachens meisterhaft. Dorthin zog es mich heute, das Wetter war perfekt für eine kleine Tour mit dem Rad. Weiße Plusterwolken in bester Kitschmanier über einen dunkelblauen Himmel segelnd, leichter Wind und angenehme Temperaturen für eine ausgedehnte Radtour.
Völlig vergessen – oder besser verdrängt – hatte ich die Tatsache das in E. Schützenfest ist. Der Besuch eines Schützenfestes ist für mich so verlockend wie ein ausgiebiger Besuch beim Zahnarzt. Dem halte ich allerdings zugute dass er mich mit Marschmusik und dem Getrommel und Geschepper verstimmter Spielmannszüge verschont. Es wird mir wohl auf immer ein Rätsel bleiben warum mehr oder weniger erwachsene Männer sich in schlecht und recht sitzende, unbequeme Fantasieuniformen reinquälen und dann schwitzend zu einer Art von Musik die erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Lärm einer Bahnhofshalle hat durch staubige Straßenzüge zu marschieren. Und überhaupt sind mir diese Hobbymilitaristen ein Dorn im Auge genau wie die Echten. Und einen Grund zum Saufen findet sich auch so wenn es denn unbedingt sein muss. Dazu muss man nicht mit irgendwelchen Schießprügeln in der Gegend herum fuchteln.
Aber es war zu spät. Als ich in E. eintraf, die letzten Meter bis zur Fußgängerzone mit Vorfreude auf ein mannhaft erradeltes Eis zurücklegen wollte wurde ich durch mehrere Hundertschaften von Schützenfestumzugsbeobachtern abrupt gestoppt. Ich konnte mir einen Fluch nicht verkneifen, nur noch die Lautstärke soweit drosseln dass ich nicht als abgehängter Prekarier auffällig wurde. Ich musste die Fußgängerzone vom anderen Ende anfahren und fand mich auf einmal in Jacques Tatis Film „Schützenfest“ wieder. Gerade als ich mein Rad gegen eigenmächtiges herumradeln sicherte kam er um die Ecke. Nennen wir ihn einfach Fred. Fred gehörte zu irgendeinem Spielmannszug. Einem Spielmannszug in dem er mit dem Schlagen einer Trommel beauftragt war. Leicht daran zu erkennen dass er über seiner Uniform, die aus einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd mit irgendeinem Abzeichen auf der Brusttasche einen Gurt aus weißem Leder trug. Und eine Trommel daran. Fred hatte kleine Schweißperlen auf der Stirn. Denn ihm war klar dass irgend etwas schief gelaufen war und dass ihm womöglich Ärger drohte. Ihm war klar dass ihm sein Spielmannszug abhanden gekommen war. Oder umgekehrt. Und dass er jetzt eine gewaltige Lücke in den Cordon der Trommler gerissen hatte.
Fred war nicht ganz alleine. Sein Schritt wirkte zwar entschlossen aber zeigte doch die kleinen Zeichen der Unsicherheit die darauf schließen ließen dass er vom Spiritus Vulgaris begleitet wurde. Gelegentlich zeigte sich einer von Freds Füssen etwas widerspenstig und wagte einen kleinen Seitenausfall. Sofort rief Fred seine Füße zur Ordnung und richtete sich mannhaft auf. Aber das war nicht Freds größtes Problem. Fred schlug gelegentlich mit dem einen Trommelstock den er in der Hand hielt auf sein Instrument. Wohl als Signal an seine weit entfernt marschierenden Genossen gedacht. Holla – ich bin noch nicht verloren auch wenn ich im Moment vom rechten Wege abgekommen bin.
Fred suchte seinen zweiten Trommelstock. Immer wieder drehte er sich ungläubig um und begutachtete das hinter ihm liegende Pflaster. Dann schlug er wieder mit dem Trommelstock in der Hand auf seine Trommel. Konnte er so den vermissten zweiten Trommelstock herbei locken? Der zweite Trommelstock dachte gar nicht daran sich herbei locken zu lassen. Er steckte nämlich in Freds rechter hinterer Hosentasche und hatte es sich neben einem dort an einem martialisch wirkenden Karabinerhaken aufgehängten Schlüsselbund bequem gemacht der Quasimodo zur Ehre gereicht hätte. Fred war aber ziemlich ernsthaft davon überzeugt dass sich der zweite Trommelstock aus dem Staube gemacht hatte. Ihn heimtückisch hinters Licht geführt und die Flucht ergriffen hatte um sich nicht das elende Geschepper einer verstimmten Spielmannszuges antun zu müssen. Deswegen drehte er sich immer wieder um und lief eine Strecke seines Weges zurück und inspizierte das Pflaster dabei mit Argusaugen. Sherlock Holmes hätte seine Freude an ihm gehabt. Auch deswegen weil er die um ihn herum laufenden Fußgänger, die seine Not nicht erkannten, immer wieder mit höchst kritischem Blick inspizierte. Aber da keiner von ihnen eine Trommel bei sich hatte war die Wahrscheinlichkeit dass man ihm den Trommelstock gestohlen hatte schlichtweg gering. Das konnten sogar Fred und der ihn begleitende Geist des Weines einsehen.
Fred konnte sich scheinbar daran erinnern dass er seine Trommelstücke irgendwann in einer seiner Gesäßtaschen verstaut hatte. Immer wieder versuchte er mit der rechten Hand um sich herum zu greifen um seine linke Gesäßtasche zu inspizieren während der vermisste Trommelstock in der Rechten höhnisch grinste. Dann wiederum hielt Fred seine Trommel mit der rechten Hand und griff mit der linken Hand um sich herum. Zur rechten Gesäßtasche. Und er stellte beruhigt und erfreut zugleich fest dass wenigstens Quasimodos Schlüsselbund noch an seinem Platz war. Den direkt daneben steckenden Trommelstock konnte er allerdings nicht ertasten, der gewaltige Schlüsselbund schützte seinen Gast.
Es war wirklich ein Vergnügen Freds Auftritt zu beobachten. Fred war nicht auffällig und torkelte. Es waren diese klitzekleinen Ausfälle in der Feinmotorik die seinen Gang zu einem kleinen Tanz werden ließen. Er bot eine geradezu meisterliche komische Eleganz für die ein Pantomime lange Jahre trainieren müsste. Um dann womöglich doch nicht diese Leichtigkeit, diese Natürlichkeit im Ablauf seiner Bewegungen und Tanzschritte zu erreichen.
Fred beschloss nachzudenken und steuerte eine der in der Fußgängerzone aufgestellten hölzernen Bänke an die so stabil sind dass sie auch den stärksten vandalistischen Gelüsten Einhalt gebieten konnten. Und setze sich hin. Wer genau hinhörte konnte das Reißen von Stoff und dieses typische Splittern von Holz hören. Ein leuchtendes Strahlen zog über Freds Gesicht. Er erhob sich und stellte fest dass er nun drei Trommelstöcke hatte. Einen Langen und zwei Kurze. Quasimodos Schlüsselbund hing jetzt deutlich tiefer denn die rechte Hosentasche war vom berstenden Trommelstock beträchtlich erweitert worden und bot tiefe Einblicke. Aber Fred strahlte über sein ganzes Gesicht. Selten habe ich einen so glücklichen Menschen gesehen. Und während ich endlich mein Eis genoss dachte ich darüber nach dass Schützenfeste vielleicht doch nicht so schlecht sind, wenn man ganz, ganz weit außen am Rand bleibt.
Der Konditor meiner Wahl hat seinen Laden genau in der Mitte der Fußgängerzone. Er kann nicht nur Eis sondern auch begnadete Torten, Kuchen und er beherrscht das Handwerk des Pralinenmachens meisterhaft. Dorthin zog es mich heute, das Wetter war perfekt für eine kleine Tour mit dem Rad. Weiße Plusterwolken in bester Kitschmanier über einen dunkelblauen Himmel segelnd, leichter Wind und angenehme Temperaturen für eine ausgedehnte Radtour.
Völlig vergessen – oder besser verdrängt – hatte ich die Tatsache das in E. Schützenfest ist. Der Besuch eines Schützenfestes ist für mich so verlockend wie ein ausgiebiger Besuch beim Zahnarzt. Dem halte ich allerdings zugute dass er mich mit Marschmusik und dem Getrommel und Geschepper verstimmter Spielmannszüge verschont. Es wird mir wohl auf immer ein Rätsel bleiben warum mehr oder weniger erwachsene Männer sich in schlecht und recht sitzende, unbequeme Fantasieuniformen reinquälen und dann schwitzend zu einer Art von Musik die erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Lärm einer Bahnhofshalle hat durch staubige Straßenzüge zu marschieren. Und überhaupt sind mir diese Hobbymilitaristen ein Dorn im Auge genau wie die Echten. Und einen Grund zum Saufen findet sich auch so wenn es denn unbedingt sein muss. Dazu muss man nicht mit irgendwelchen Schießprügeln in der Gegend herum fuchteln.
Aber es war zu spät. Als ich in E. eintraf, die letzten Meter bis zur Fußgängerzone mit Vorfreude auf ein mannhaft erradeltes Eis zurücklegen wollte wurde ich durch mehrere Hundertschaften von Schützenfestumzugsbeobachtern abrupt gestoppt. Ich konnte mir einen Fluch nicht verkneifen, nur noch die Lautstärke soweit drosseln dass ich nicht als abgehängter Prekarier auffällig wurde. Ich musste die Fußgängerzone vom anderen Ende anfahren und fand mich auf einmal in Jacques Tatis Film „Schützenfest“ wieder. Gerade als ich mein Rad gegen eigenmächtiges herumradeln sicherte kam er um die Ecke. Nennen wir ihn einfach Fred. Fred gehörte zu irgendeinem Spielmannszug. Einem Spielmannszug in dem er mit dem Schlagen einer Trommel beauftragt war. Leicht daran zu erkennen dass er über seiner Uniform, die aus einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd mit irgendeinem Abzeichen auf der Brusttasche einen Gurt aus weißem Leder trug. Und eine Trommel daran. Fred hatte kleine Schweißperlen auf der Stirn. Denn ihm war klar dass irgend etwas schief gelaufen war und dass ihm womöglich Ärger drohte. Ihm war klar dass ihm sein Spielmannszug abhanden gekommen war. Oder umgekehrt. Und dass er jetzt eine gewaltige Lücke in den Cordon der Trommler gerissen hatte.
Fred war nicht ganz alleine. Sein Schritt wirkte zwar entschlossen aber zeigte doch die kleinen Zeichen der Unsicherheit die darauf schließen ließen dass er vom Spiritus Vulgaris begleitet wurde. Gelegentlich zeigte sich einer von Freds Füssen etwas widerspenstig und wagte einen kleinen Seitenausfall. Sofort rief Fred seine Füße zur Ordnung und richtete sich mannhaft auf. Aber das war nicht Freds größtes Problem. Fred schlug gelegentlich mit dem einen Trommelstock den er in der Hand hielt auf sein Instrument. Wohl als Signal an seine weit entfernt marschierenden Genossen gedacht. Holla – ich bin noch nicht verloren auch wenn ich im Moment vom rechten Wege abgekommen bin.
Fred suchte seinen zweiten Trommelstock. Immer wieder drehte er sich ungläubig um und begutachtete das hinter ihm liegende Pflaster. Dann schlug er wieder mit dem Trommelstock in der Hand auf seine Trommel. Konnte er so den vermissten zweiten Trommelstock herbei locken? Der zweite Trommelstock dachte gar nicht daran sich herbei locken zu lassen. Er steckte nämlich in Freds rechter hinterer Hosentasche und hatte es sich neben einem dort an einem martialisch wirkenden Karabinerhaken aufgehängten Schlüsselbund bequem gemacht der Quasimodo zur Ehre gereicht hätte. Fred war aber ziemlich ernsthaft davon überzeugt dass sich der zweite Trommelstock aus dem Staube gemacht hatte. Ihn heimtückisch hinters Licht geführt und die Flucht ergriffen hatte um sich nicht das elende Geschepper einer verstimmten Spielmannszuges antun zu müssen. Deswegen drehte er sich immer wieder um und lief eine Strecke seines Weges zurück und inspizierte das Pflaster dabei mit Argusaugen. Sherlock Holmes hätte seine Freude an ihm gehabt. Auch deswegen weil er die um ihn herum laufenden Fußgänger, die seine Not nicht erkannten, immer wieder mit höchst kritischem Blick inspizierte. Aber da keiner von ihnen eine Trommel bei sich hatte war die Wahrscheinlichkeit dass man ihm den Trommelstock gestohlen hatte schlichtweg gering. Das konnten sogar Fred und der ihn begleitende Geist des Weines einsehen.
Fred konnte sich scheinbar daran erinnern dass er seine Trommelstücke irgendwann in einer seiner Gesäßtaschen verstaut hatte. Immer wieder versuchte er mit der rechten Hand um sich herum zu greifen um seine linke Gesäßtasche zu inspizieren während der vermisste Trommelstock in der Rechten höhnisch grinste. Dann wiederum hielt Fred seine Trommel mit der rechten Hand und griff mit der linken Hand um sich herum. Zur rechten Gesäßtasche. Und er stellte beruhigt und erfreut zugleich fest dass wenigstens Quasimodos Schlüsselbund noch an seinem Platz war. Den direkt daneben steckenden Trommelstock konnte er allerdings nicht ertasten, der gewaltige Schlüsselbund schützte seinen Gast.
Es war wirklich ein Vergnügen Freds Auftritt zu beobachten. Fred war nicht auffällig und torkelte. Es waren diese klitzekleinen Ausfälle in der Feinmotorik die seinen Gang zu einem kleinen Tanz werden ließen. Er bot eine geradezu meisterliche komische Eleganz für die ein Pantomime lange Jahre trainieren müsste. Um dann womöglich doch nicht diese Leichtigkeit, diese Natürlichkeit im Ablauf seiner Bewegungen und Tanzschritte zu erreichen.
Fred beschloss nachzudenken und steuerte eine der in der Fußgängerzone aufgestellten hölzernen Bänke an die so stabil sind dass sie auch den stärksten vandalistischen Gelüsten Einhalt gebieten konnten. Und setze sich hin. Wer genau hinhörte konnte das Reißen von Stoff und dieses typische Splittern von Holz hören. Ein leuchtendes Strahlen zog über Freds Gesicht. Er erhob sich und stellte fest dass er nun drei Trommelstöcke hatte. Einen Langen und zwei Kurze. Quasimodos Schlüsselbund hing jetzt deutlich tiefer denn die rechte Hosentasche war vom berstenden Trommelstock beträchtlich erweitert worden und bot tiefe Einblicke. Aber Fred strahlte über sein ganzes Gesicht. Selten habe ich einen so glücklichen Menschen gesehen. Und während ich endlich mein Eis genoss dachte ich darüber nach dass Schützenfeste vielleicht doch nicht so schlecht sind, wenn man ganz, ganz weit außen am Rand bleibt.
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