Ein Fass ohne Boden...
Am 01. August 2007
... habe ich vom Großvater geerbt. Gut - es ist kein richtiges Fass, nicht mal ein Fässchen. Sondern eine Messingschale. Mitgebracht hat er sie so um das Jahr 1915 herum aus Constantinopel, das uns heute als Istanbul bekannt ist. Wer damals reiste hatte nicht nur das unvergleichliche Vergnügen wirklich zu reisen und nicht als Transportsache behandelt zu werden. Davon zeugt nicht nur ein gewaltiger Schrankkoffer sondern auch vielfältige Dokumente wie zum Beispiel ein von Kemal Atatürk unterzeichnetes Visum und ein meinem Großvater nach erfolgreicher Mission übereignetes Originalfoto des gleichen Herrn. Wer reiste musste auch berichten, erzählen. Denen, die zu Hause bleiben musste er einen möglichst detailgenauen und eindrucksvollen Bericht des Erlebten liefern. Das Wort Diaabend war ebenso unbekannt wie das Wort Digitalkamera oder gar Camcorder. Ein halbwegs brauchbarer Fotoapparat war damals einen knappen halben Zentner schwer, vom erforderlichen Zubehör zur Anfertigung von Lichtbildern mal ganz abgesehen. Das war nichts für einen Reisenden der sich anschickte von der Metropole Kleinasiens aus nach Bodenschätzen in der Wüste zu suchen.
Der Reisende also deckte sich ein mit einer kleinen Broschüre, die auf fünfundzwanzig Kartonseiten in sorgsam handcolorierten Lichtdrucken einen optischen Eindruck des bereisten Landes vermitteln konnte. Billig war das seinerzeit sicher auch in Constantinopel nicht. Und dann machte man sich auf um noch das eine oder andere Mitbringsel zu finden, das denen zu Hause eine Freude machen würde. Und so kam mein Großvater wohl in den Besitz besagten Fasses, das ein Wasserschale aus Messing ist.
Nun ist das nicht irgendeine Messingschale. Dieses Stück ist weit von dem entfernt was dem heutigen Touristen dort als Souvenir verhökert wird. Weit entfernt von billiger Massenware, zu Tausenden auf irgendeiner Stanze zusammen geschustert und dann mit hastiger Hand ein wenig auf orientalisch getrimmt.
Irgendwo in einem der Souks musste jemand, nennen wir ihn einfach mal Ibrahim, im Schweisse seines Angesichts tagelang, ja wochenlang an dieser Schale gearbeitet haben. Sie liegt schwer in der Hand, hat die Haptik eines zu groß geratenen Handschmeichlers. Wenn man mit der Fingerspitze über die Innenseite fährt spürt man, dass man hier ein Stück feinsten Gürtlerhandwerks in der Hand hat. Man kann spüren welcher Kraft es bedurft haben musste ein Stück dickes, flaches Messingblech langsam aber sicher zu einem Halbrund, einer Schale zu formen. Weil es damals gottseidank noch keine Computergesteuerten Drehbänke gab spürt man die einzelnen Arbeitsschritte, die nötig waren um dieses Stück zu formen, heute noch. Und nach dem Formen ging es ans Verzieren.
Stück für Stück wurde die Mesingschale mit Stichel und Hammer mit einer geradezu atemberaubenden Ornamentik geschmückt. Eine Schale die zu nichts anderem gedacht war als damit Wasser zu schöpfen und zu trinken. Irgendwo auf dem Markt, vielleicht in einem Café. Oder durch einen Wasserträger. Einem ganz profanen Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs wurde höchste kunsthandwerkliche Aufmerksamkeit zuteil.
Die Schale war fast fertig gestellt als Ibrahim ein kleiner Fehler unterlaufen sein muss. Vielleicht hat ihn eine vorbei schlendernde hübsche constantinopler Dame angelächelt. Vielleicht spielte sich draussen vor seinem Laden etwas ab was seine Aufmerksamkeit von seinem Werkstück ablenkte. Jedenfalls muss er in dem sich wie ein Mäander um den Fuss der Schale ziehenden Schmuckband einmal etwas zu fest zugeschlagen haben. Was zur Folge hatte das dort ein winziges Stück Messing heraus brach, von der Grösse eines Stecknadelkopfes. Und damit war die Schale für Ibrahim wertlos. Flicken oder Löten verbot die handwerkliche Ehre. Pfusch konnte man dem Kunden nicht andrehen.
Für Ibrahim war die Schale damit wertlos, die ganze Arbeit umsonst. Bis plötzlich diese Fremden bei ihm vor der Werkstatt standen, sich für sein Handwerk, seine Waren interessierten. Und weil damals das Budget eines Ferneisenden sicher auch beschränkt war und man ja mehr als eine Person beschenken musste kam es zu einem Geschäft. Einem Geschäft das ganz sicher auch Ibrahim zufrieden stellte denn einem Fremden etwas zu verkaufen das eigentlich wertlos war, das war immer ein gutes Geschäft. Woran zu erkennen ist dass der Wert einer Sache auch und vor allem von demjenigen abhängt der sie haben möchte.
Jedenfalls ging es mit dem Wert der Schale nun bergauf. Noch heute berichtet sie von einer strapaziösen aber wundervollen Reise in den Orient. Von der Freude welche die damit Beschenkten, in diesem Falle meine Großmutter, damit hatte. Von meiner Kindheit denn neben vielen anderen geheimnisvollen Dingen stand auch diese Schale mit ihren verwirrenden Ornamenten im Arbeitszimmer meines Großvaters wo ich sie immer wieder in meinen Händen hielt und bestaunte. Heute steht sie auf meinem Schreibtisch. Hilft mir gelegentlich Ordnung zu halten wenn Büroklammern ausser Rand und Band geraten. Und vor allem erinnert sie mich daran über den Wert von Dingen nachzudenken. In einer Zeit in der alles auf kurzfristigen Verbrauch, auf Hopp und Ex ausgerichtet ist das nützlich. Finde ich jedenfalls.
Der Reisende also deckte sich ein mit einer kleinen Broschüre, die auf fünfundzwanzig Kartonseiten in sorgsam handcolorierten Lichtdrucken einen optischen Eindruck des bereisten Landes vermitteln konnte. Billig war das seinerzeit sicher auch in Constantinopel nicht. Und dann machte man sich auf um noch das eine oder andere Mitbringsel zu finden, das denen zu Hause eine Freude machen würde. Und so kam mein Großvater wohl in den Besitz besagten Fasses, das ein Wasserschale aus Messing ist.
Nun ist das nicht irgendeine Messingschale. Dieses Stück ist weit von dem entfernt was dem heutigen Touristen dort als Souvenir verhökert wird. Weit entfernt von billiger Massenware, zu Tausenden auf irgendeiner Stanze zusammen geschustert und dann mit hastiger Hand ein wenig auf orientalisch getrimmt.
Irgendwo in einem der Souks musste jemand, nennen wir ihn einfach mal Ibrahim, im Schweisse seines Angesichts tagelang, ja wochenlang an dieser Schale gearbeitet haben. Sie liegt schwer in der Hand, hat die Haptik eines zu groß geratenen Handschmeichlers. Wenn man mit der Fingerspitze über die Innenseite fährt spürt man, dass man hier ein Stück feinsten Gürtlerhandwerks in der Hand hat. Man kann spüren welcher Kraft es bedurft haben musste ein Stück dickes, flaches Messingblech langsam aber sicher zu einem Halbrund, einer Schale zu formen. Weil es damals gottseidank noch keine Computergesteuerten Drehbänke gab spürt man die einzelnen Arbeitsschritte, die nötig waren um dieses Stück zu formen, heute noch. Und nach dem Formen ging es ans Verzieren.
Stück für Stück wurde die Mesingschale mit Stichel und Hammer mit einer geradezu atemberaubenden Ornamentik geschmückt. Eine Schale die zu nichts anderem gedacht war als damit Wasser zu schöpfen und zu trinken. Irgendwo auf dem Markt, vielleicht in einem Café. Oder durch einen Wasserträger. Einem ganz profanen Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs wurde höchste kunsthandwerkliche Aufmerksamkeit zuteil.
Die Schale war fast fertig gestellt als Ibrahim ein kleiner Fehler unterlaufen sein muss. Vielleicht hat ihn eine vorbei schlendernde hübsche constantinopler Dame angelächelt. Vielleicht spielte sich draussen vor seinem Laden etwas ab was seine Aufmerksamkeit von seinem Werkstück ablenkte. Jedenfalls muss er in dem sich wie ein Mäander um den Fuss der Schale ziehenden Schmuckband einmal etwas zu fest zugeschlagen haben. Was zur Folge hatte das dort ein winziges Stück Messing heraus brach, von der Grösse eines Stecknadelkopfes. Und damit war die Schale für Ibrahim wertlos. Flicken oder Löten verbot die handwerkliche Ehre. Pfusch konnte man dem Kunden nicht andrehen.
Für Ibrahim war die Schale damit wertlos, die ganze Arbeit umsonst. Bis plötzlich diese Fremden bei ihm vor der Werkstatt standen, sich für sein Handwerk, seine Waren interessierten. Und weil damals das Budget eines Ferneisenden sicher auch beschränkt war und man ja mehr als eine Person beschenken musste kam es zu einem Geschäft. Einem Geschäft das ganz sicher auch Ibrahim zufrieden stellte denn einem Fremden etwas zu verkaufen das eigentlich wertlos war, das war immer ein gutes Geschäft. Woran zu erkennen ist dass der Wert einer Sache auch und vor allem von demjenigen abhängt der sie haben möchte.
Jedenfalls ging es mit dem Wert der Schale nun bergauf. Noch heute berichtet sie von einer strapaziösen aber wundervollen Reise in den Orient. Von der Freude welche die damit Beschenkten, in diesem Falle meine Großmutter, damit hatte. Von meiner Kindheit denn neben vielen anderen geheimnisvollen Dingen stand auch diese Schale mit ihren verwirrenden Ornamenten im Arbeitszimmer meines Großvaters wo ich sie immer wieder in meinen Händen hielt und bestaunte. Heute steht sie auf meinem Schreibtisch. Hilft mir gelegentlich Ordnung zu halten wenn Büroklammern ausser Rand und Band geraten. Und vor allem erinnert sie mich daran über den Wert von Dingen nachzudenken. In einer Zeit in der alles auf kurzfristigen Verbrauch, auf Hopp und Ex ausgerichtet ist das nützlich. Finde ich jedenfalls.
excuses,
2007.08.02, 02:03